TKG-Novelle: Was die Streichung des Nebenkostenprivilegs bedeutet

Bei rund 12,5 Millionen Haushalten in Deutschland sind die Kosten für das Kabelfernsehen in der Wohnungsmiete enthalten. Das bedeutet, der Vermieter hat einen Sammelvertrag mit einem Netzbetreiber geschlossen und alle Mieter tragen gemeinschaftlich die Kosten für den Breitbandausbau - auch dann, wenn einzelne Haushalte das TV-Angebot nicht nutzen. Im Zuge der Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) wurde dieses vermeintliche Nebenkostenprivileg gestrichen. Somit können Vermieter die Betriebskosten für Kommunikationsnetze in ihren Gebäuden (Inhouse-Netze) ab Juli 2024 nicht mehr über die Nebenkosten auf ihre Mieter umlegen.

Diese Entscheidung hat zwei mögliche Szenarien zur Folge: Entweder der Vermieter übernimmt künftig die Kosten, weil er seinen Mietern eine TV-Grundversorgung als Wohnservice zur Verfügung stellen möchte. Oder die Mieter müssen von den Netzbetreibern als Direktkunden gewonnen werden (Einzelvermarktung). Die Herausforderungen für Netzbetreiber wie auch TV-Provider hinsichtlich der TKG-Novelle waren Thema einer digitalen Podiumsdiskussion im Rahmen der ANGA COM DIGITAL – dem Online-Kongress für Breitband und Medien. Unser Geschäftsführer Stefan Tiemann war eingeladen worden, seine Erfahrungen mit der Einzelvermarktung als regionaler Netzbetreiber mit weiteren Branchenexperten zu teilen. Wir haben die wichtigsten Gesprächspunkte des Panels für Sie zusammengefasst.

„Der Mehraufwand für die Einzelvermarktung von TV-Anschlüssen erhöht sich gegenüber der Betriebskostenumlage um ca. 60 – 70 Prozent." (Stefan Tiemann)

RFT kabel besitzt langjährige Erfahrungen mit beiden Vertriebsmodellen, rund 12 Prozent der RFT-Anschlüsse sind in der Betriebskostenumlage. Die Einzelvermarktung von TV-Anschlüssen bedeutet einen Mehraufwand, da bisherige Sammelverträge aufgelöst, alle Mieter individuell angesprochen, Verträge umgestellt und einzeln betreut werden müssen. Dafür ist u. a. eine personelle Aufstockung im Vertriebsteam, in den Kundencentern und auch in der Verwaltung erforderlich. Die Kosten für die TV-Grundversorgung waren in der Vergangenheit durch Sammelverträge preiswerter, durch den beschriebenen Mehraufwand entfällt dieser Preisvorteil für den Einzelkunden. Eventuelle Mehreinnahmen werden sich aufgrund höherer Vertriebs- und Verwaltungskosten sowie dem Inkassorisiko relativieren.

Das TKG-Gesetz wird den Glasfaserausbau vermutlich nicht beschleunigen. Die Gestattungsverträge der RFT kabel mit der Wohnungswirtschaft hatten in den letzten 6-7 Jahren bereits die Option auf FttH inkludiert, doch der Immobilienbestand vieler Wohnungsunternehmen war schon vorher saniert worden und eine Innenhausverkabelung, d. h. die Erschließung aller Wohnräume mit Glasfaser, die für den FttH-Ausbau erforderlich ist, wird derzeit nicht im großen Umfang umgesetzt. Da die Glasfaser-Innenhausverkabelung jedoch der Garant für die Zukunftsfähigkeit der Vermietung ist, plant die RFT kabel im Rahmen neuerer Gestattungsverträge die FttH-Ausbaustufe immer vorsorglich mit ein.

„Wir haben einen hohen Marktanteil im Bereich Internet und wollen diesen Zugang nutzen, um unsere Kunden zusätzlich für Fernsehen bzw. IPTV zu begeistern.“ (Dr. Wolfgang Wallauer)

Auch der Netzbetreiber M-net aus München ist breit aufgestellt: Das Schlagwort ist Triple Play, d. h. kombinierte Angebote für TV, Internet und Telefon. Bei Bündelangeboten sind Preisvorteile gegenüber der Abnahme einzelner Produkte möglich. M-net nutzt viele unterschiedliche Kanäle für die direkte Kundenansprache z. B. Online-Angebote, Shops, Direct Mailing und den Direktvertrieb. Eine Chance der Einzelvermarktung liege darin, so Dr. Wolfgang Wallauer, dass der Kontakt zu Internet- und Telefon-Kunden schon besteht und M-net ihnen Fernsehen als attraktives Zusatzprodukt anbieten kann.

"Wir haben einerseits attraktive TV-Produkte und stellen darüber hinaus entsprechende Vermarktungstools für Netzbetreiber zur Verfügung.“ (Marco Hellberg)

M7 betreut ca. 150 Netzbetreiber als Kunden und weiß, das Thema der Streichung der Umlagefähigkeit ist in den letzten Wochen stark diskutiert worden. Es gibt zwei Lager: Netzbetreiber, die bereits in der Einzelvermarktung sehr gut aufgestellt sind und die erforderlichen Prozesse bereits umgesetzt haben. Daneben gibt es Netzbetreiber, die aus dem Umlagebereich kommen und sich fragen, wie sie mit der Streichung des Nebenkostenprivilegs umgehen sollen. Moderne zusätzliche Funktionalitäten im Fernsehbereich, wie die mobile Nutzung des linearen TV-Angebots, können das Interesse beim Kunden für TV-Produkte der Netzbetreiber steigern.

„In der Einzelvermarktung von TV-Anschlüssen liegt die Chance dem Kunden ein modernes TV-Angebot an die Hand zu geben.“ (Thomas Bichlmeir)

Kontakt schafft Sympathie, das bedeutet: Je mehr Kontakt ein Netzanbieter mit seinen Kunden hat, desto niedriger ist die Gefahr, dass er den Anbieter wechselt. In der Umstellung vom Sammelinkasso zu Einzelangeboten liegt die Chance, dem Kunden ein moderneres TV-Angebot an die Hand geben zu können. Da die TV-Nutzung sich immer mehr vom linearen Angebot entfernt und sich stärker auf On-Demand konzentriert, müssen entsprechende Optionen geschaffen werden. Das lässt sich z. B. über Replay-TV, On-Demand-Angebote und über die Aufnahme der großen Streamer wie Netflix oder Amazon als App realisieren. Diese Punkte tragen dazu bei, dass Fernsehen zu einem modernen Erlebnis wird.

 

An der digitalen Podiumsdiskussion „Einzelvermarktung statt Betriebskostenumlage: Best Practice für lokale Netzbetreiber?“ im Rahmen der ANGA COM DIGITAL nahmen am 09.06.2021 neben RFT-Geschäftsführer Stefan Tiemann folgende Personen teil:

Thomas Bichlmeir, Head of Content der Ocilion IPTV Technologies GmbH
Marco Hellberg, Managing Director von M7 Germany (a CANAL+ Group Company)
Dr. Wolfgang Wallauer, Bereichsleiter Privatkunden und Wohnungswirtschaft der M-net Telekommunikations GmbH
Moderation: Dr. Peter Charissé, Geschäftsführer, ANGA Der Breitbandverband e.V.

 

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